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Grazer Kunstverein, Freitag, 26.05.00, 19:30 Uhr
Kurator:
Reinhard Braun
Gäste: Katja Diefenbach, Sascha Kösch
"Auch
wenn ich nicht im Büro bin, bin ich im Büro"
Überprüft
man seinen lebensweltlichen Alltag darauf, wie Technologien
unser öffentliches Bewußtsein prägen und verändern, so stößt
man auf Slogans wie diesen (in diesem Fall aus der Anzeige eines
österreichischen Mobilfunkbetreibers).
Digitale Gadgets erscheinen als das in Schaltkreise, Metall
und Kunststoff gegossene Versprechen der Verschwisterung einst
so klar umrissener Gegensätze wie privat/öffentlich, Arbeit/Freizeit,
oder, vielleicht, Mensch/Maschine. Industrielle Erzeugnisse
– seien es elektronische Apparate, Goretex-Kleidung, functional
food oder die Möbel, die unsere Wohnwelten bevölkern – werden
immer mehr zu Attributen unseres Selbstverständnisses. Kommt
es uns noch zynisch vor, wenn ein Büromittelerzeuger uns die
anstehende
Pensionsreform als die Möglichkeit verspricht, noch "1,5 Jahre
länger auf Bene zu arbeiten"? Ist es wirklich so, wie Jean Baudrillard
schreibt: Sind unsere Prothesen, all die Apparate und Kulturtechnologien,
die wir glauben zu bedienen, bereits tief in unsere Körper eingedrungen?
Haben sie ihren Status als Gebrauchsgegenstände längst schon
verloren, und vielmehr uns selbst als etwas Sich-Selbst-Äußerliches
neu formiert? |
Unsere
Fragen zum ersten Themenabend, Waren/Apparate/Fetische verlaufen entlang von 4 Linien;die Gespräche mit Katja Diefenbach, Reinhard Braun, sowie der Medientheoretikerin Marie-Luise Angerer machen jedoch deutlich, daß jede Untersuchung über das Verhältnis zwischen Technologien und ihren soziopolitischen Implikationen bereits vor einem Sprechen über Symptome und Ursachen ansetzen muss: Bei der Ideologie selbst, die das Sprechen über Technologien hervorbringt und fördert.
Fetisch |
Die
Frage nach dem Fetischcharakter der Ware: Was bedeuten Fetisch
und Tauschwert? Sind Begriffe wie Gebrauchswert und Funktionalität
in der kapitalistischen Warenwelt, wie sie sich uns heute
darstellt, überhaupt noch von Belang? Wie kann man den Trend
Richtung Multifunktionalität der Apparate verstehen?
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Aufgrund
dieser Auswanderung seiner eigenen Techniken, dieser orbitalen
Verpflanzung seiner eigenen Funktionen wird der Mensch selbst
ex-orbitant und ex-zentrisch [...] wird der Körper zu einer
bloßen Vielfalt von Oberflächen, zum Gewimmel zahlreicher
Objekte [...] Übrig bleibt ein metastatischer, ein fraktaler
Körper, dem das versprechen der Auferstehung nicht mehr voraussteht.
(Jean Baudrillard, Videowelt und fraktales Subjekt, 1988)
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Macht |
Wer
verleiht den Fetisch? Und gibt es die Realität der Produktionsbedingungen,
die angeblich verschleiert wird, überhaupt noch?
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Der
Gebrauch der Ware genügt sich selbst; und für den Konsumenten
ist dies die überschwengliche religiöse Begeisterung für die
souveräne Freiheit der Ware. So breiten sich mit großer Geschwindigkeit
Begeisterungswellen für ein mit allen Funktionsmitteln gestütztes
und angekurbeltes bestimmtes Produkt aus. [...] Der verdinglichte
Mensch trägt den Beweis seiner Intimität mit der Ware zur
Schau.[...] der einzige Gebrauch, der sich hier noch äußert,
ist der grundlegende Gebrauch der Unterwerfung. (Guy Debord,
Die Gesellschaft des Spektakels. These 67, 1968)
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Subjektivität |
Wie
kann man diese Formen der Subjektivität beschreiben, die wir
über unsere Kopplung mit Apparaten und Technologien herstellen?
Hat zum Beispiel das Konzept des Cyborg, wie es Donna Haraway
in den 80er Jahren formuliert hat, überhaupt noch Relevanz?
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Wir
fragen: Ist das wichtigste Referendum Österreichs nicht schon
längst entschieden? Nämlich nicht das gegen die Sanktionen
Europas gegen Blau-Schwarz, sondern das für die Wiedereinführung
von Paiper? http://www.bco.co.at/eskimo/
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Widerstand |
Wo
zeigen sich heute noch (mediale) Formen des Widerstandes,
einer Politik, die diese Subjektzuschreibungen von sich weist
oder modifiziert? Gibt es die Gegenöffentlichkeiten, oder
bloß den "Mainstream der Minderheiten"?
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"Recollect,
when I was travelling with K.E., hottest idea man in the gadget
industry ... it was K.E. who put out the Octopus Kit for Massage
Parlors, Barber Shops, and Turkish Baths, with which you can
administer a high colonic, an unethical massage, a shampoo,
whilst cutting the client´s toenails and removing his blackheads."
(William S. Burroughs, Naked Lunch, 1959)
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Die
simulative Kraft des Arbeitsfetisch
Text-in-Progress von Thomas Unger
#1.3 |
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