Wie
kann man sich ein NETZ vorstellen? Dezentral, Knotenpunkte, die sich
spontan verdicken und auflösen - William Gibson hat in "Neuromancer"
die Matrix als eine graphische Repräsentation der Geld- und
Datenströme beschrieben: als die "leuchtenden Türme und Quader
der multinationalen zaibatsu", in der geographische Grenzen
überschritten werden, als auch als Spielwiese der Hasardeure,
von minoritären Gruppen. Die Auseinandersetzung
des Journals mit den Akteuren und Akteurinnen des dritten
Abends - Impulsnachbarschaften: Netze - Wissen - Politik - formiert sich, erneut, rund um diese Metapher - diesmal als die rhetorische
Zauberformel scheinbar so gegensätzlicher Strategien
einer Avantgarde, als auch einer "New Economy".
Uns interessiert, wie Wirtschaftswissenschaft und Kulturtheorie Phänomene öffentlichen
Zusammenlebens begreifen, wie sie zum Beispiel Gilles Deleuze den spätmodernen
Kontrollgesellschaften attestiert:
"In
den Kontrollgesellschaften ist das wesentliche nicht mehr
eine Signatur oder eine Zahl, sondern eine Chiffre [...] Die
numerische Sprache der Kontrolle besteht aus Chiffren, die
den Zugang zur Information kennzeichnen, bzw. die Abweisung.
Die Individuen sind individuell geworden, und die Massen Stichproben,
Daten, Märkte oder Banken.[...] Der Mensch der Disziplinierung
war ein diskontinuierlicher Produzent von Energie, während
der Mensch der Kontrolle eher wellenhaft ist, in einem kontinuierlichen
Strahl, in einer Umlaufbahn. Überall hat das Surfen schon
die alten Sportarten abgelöst.[...] *
Kann
man sich dem euphorischen Gedanken einer Demokratisierung
der Wissens - Verteilung durch das Internet anschließen? Oder geht es in Wirklichkeit, wie Christian Eigner in seinem Diskussionsbeitrag meint, vielmehr um den Neuheitswert des Mediums als um seine tatsächlichen Inhalte? Oder ist das Internet, wie Christine Maitz aufgrund der Ergebnisse empirischer Studien nahelegt, eine Art globale Teeküche? Im Bereich des Wissensmanagements skizziert Ursula Schneider die historische Ablöse traditioneller Institutionen der
Wissensvermittlung auf hierarchischem Wege, durch
Institutionen wie Elternhaus, Schule, Hochschule - also im
Foucaultschen Sinne der Disziplinargesellschaft zugehörige
Instanzen - durch dezentrale, auf random access und ständige Verfügbarkeit aufbauende Datenkonfigurationen. Wiederum Gibson: In "Idoru" beschreibt er eine Informationsökonomie, in der der Overkill an Daten nur mehr wenigen Spezialisten erlaubt, noch Les- und Verwertbares zu entdecken; Navigatoren, die kurzfristig Ströme an Information anzapfen, ohne je die Last von Wissen tragen zu müssen.
Last, but not least: Die Frage, wieweit das Netz tatsächlich zu einer Demokratisierung von Wissen, vor allem in Hinblick auf die Dritte Welt, beiträgt - wo es doch scheint, daß
im Grunde genommen zwei Drittel der Menschheit
allein infrastrukturell ausgeschlossen bleiben.
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Gilles Deleuze, Postskriptum über die Kontrollgesellschaften
(1990). In: Unterhandlungen. Frankfurt a. M., 1993.
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