Dilettanten
Konzeption Orhan Kipcak
Der Dilettant ist eine Figur, die im Laufe ihrer Geschichte
oft Aufwertungen und Abwertungen unterworfen war: Dilettant bezeichnete
zunächst den nicht beruflich geschulten Künstler im Gegensatz
zum Künstler, der seine Kunst als Profession betreibt. Kunst ist
hier ein aristokratisches Vergnügen und im 16. Jahrhundert ist
die societa dei dilettanti eine Vereinigung von betuchten Kennern und
Könnern, die den in Handwerkszünften organisierten Künstlern
sowohl an Kenntnisreichtum als auch an sozialem Prestige überlegen
sind. Mit der Trennung von Handwerk und Kunst und der Emanzipation des
Künstlers von seinen feudalen Auftraggebern setzt auch die Diskriminierung
des Dilettanten ein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezeichnet der Begriff
nicht nur einen Nichtfachmann, sondern einen Stümper, der mehr
will als er kann und als ihm zusteht. Dieser Beiklang von Anmaßung
schwingt ab nun immer mit, wenn von Dilettanten die Rede ist.
Die Anmaßung, die Maßlosigkeit des Dilettanten ist aber
zugleich die Ursache für das Interesse, das ihm seit der Wende
zum 20. Jahrhundert immer wieder entgegengebracht wird: Die Moderne,
für die die permanente Kritik - auch ihrer eigenen Vorraussetzungen
- eine programmatisch notwendige"Sollbruchstelle" ist, erkennt
hier eine essenzielle Funktion des Dilettantismus - es sind oft Dilettanten,
die, unbelastet von den Zwängen professioneller Produktion, in
der Kunst die Fragen nach ihren Grundlagen stellen und die dabei immer
wieder von neuem beginnen, das Kodifizierte und Bewährte zu verlassen:
Dilettantismus wird zu einer zentralen Kategorie der großen radikalen
Bewegungen des 20. Jahrhunderts von Dada bis Punk.
Der Dilettant ist aber nicht nur wichtig als Außenseiter, der
die Karten neu mischt, sondern auch wegen seiner Rolle als ein Übergangswesen
zwischen Betrachter und Gestalter: Er kann als Prototyp einer ästhetischen
Existenzform gelesen werden. Und er ist immer Gesinnungstäter,
was ihn auch als moralische Figur interessant macht.